Grußwort von Seenotretter Friedhold Ulonska an das PJT!

Liebe Teilnehmer*innen des Pfingstjugendtreffens,

Die privaten Seenot-Retter, wie wir genannt werden, haben seit 2016 weit mehr als 100.000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet. Ich selbst konnte als Kapitän oder Erster Offizier auf Schiffen von Sea-Eye, Sea-Watch und Mission fast 4.000 Menschen helfen. Für uns ist diese Hilfe für Menschen in Seenot eine selbstverständliche Pflicht. Wir bräuchten dafür keine gesetzliche Vorschrift, wie wir sie im Seerecht finden.

Doch seit 2017 behindern die Staaten Europas unsere Arbeit, wo es nur geht. Italien verbietet uns das Einlaufen, und sei es nur zum Tanken. Schiffe wie die Sea Watch 3 werden monatelang ohne Angabe von Gründen am Auslaufen gehindert. Dutzendfach werden wir zum Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen, die bislang – Gott sei Dank – immer als unbegründet eingestellt wurden.

Der Grund: Europa schottet sich ab. Um den Preis, das Menschen ertrinken. Um den Preis, dass man Milizen und Banden wie die sogenannte libysche Küstenwache finanziert, um verzweifelte Flüchtende von unserem Kontinent fernzuhalten. Um den Preis, dass diese armen Menschen in Lagern gehalten werden, in denen sogar nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes KZ-ähnliche Zustände herrschen. Um den Preis unserer europäischen Werte.

Das alles für ein paar Wählerstimmen. Ein Populismus macht sich breit, der Sündenböcke braucht – 2019 sind es Flüchtende. Dieser Populismus, der sich momentan vielleicht am stärksten in Italien zeigt – aber auch in Deutschland nicht zu übersehen ist – bereitet den Boden für einen neuen Faschismus. Diese Haltung ist ein Geschwür in unserer Gesellschaft. Ein Geschwür, das umso schneller wuchert, je mehr Vorbild-Figuren sich davon anstecken lassen. Es ist ein Geschwür, das wir bekämpfen müssen. Und zwar bekämpfen wie Krebs, nicht wie Nasenbluten.

Ich freue mich, dass ihr helft, diesen Kampf zu führen. Politiker richten ihre Fahnen nach dem Wind, das können wir nicht ändern – Politiker sind halt so. Was wir ändern können, ist der Wind: Sorgen wir dafür, dass er sich dreht. Sorgen wir dafür, dass der kalte Wind aus Hass, Fremdenfeindlichkeit und Egoismus weggeblasen wird von einer warmen, steifen Brise aus Solidarität, Anteilnahme und Hilfsbereitschaft. Geben wir den Fahnen unserer Politiker eine neue Richtung!

Dazu brauchen wir jeden. Uns Ältere mit unserer Erfahrung – aber besonders Euch junge Leute mit Eurer jugendlichen Kraft und Entschlossenheit. Gemeinsam können wir es schaffen, Europa vor einer Herrschaft der Populisten und Faschisten zu bewahren.

Ich wünsche Eurem Treffen Mut und Power – und vergesst nicht: Wir zählen auf Euch!

 

Herzliche Grüße,

Euer

Friedhold Ulonska